Bereits seit mehreren Jahren steht das Thema „Lehren und Lernen mit digitalen Medien“ am Seminar Heilbronn auf der Tagesordnung. Zwei Pädagogische Tage in den Jahren 2017 und 2018 beschäftigten sich mit digitalen Medien im Unterricht und in der Lehrkräfteausbildung. Die Umsetzung eines verpflichtenden Medienbildungsplans im Vorbereitungsdienst seit dem Kurs 2020 bot ebenfalls Gelegenheit zu Erfahrungsaustausch und Verständigung innerhalb des Kollegiums über die Grenzen der einzelnen Fachdidaktiken hinaus.
Die Umstellung des Unterrichts und der Ausbildung auf digitale Formate infolge der Corona-Pandemie traf das Seminar damit zwar nicht unvorbereitet, wirkte jedoch wie ein kräftiger Katalysator, der nicht nur im Schulsystem, sondern auch in der Lehrkräfteausbildung der Digitalisierung enormen Schub verlieh und ein erneutes Nachdenken über Einsatz und Mehrwert digitaler Medien erforderlich machte.
Mit den mehrmonatigen Seminarschließungen von März bis Juni 2020 und noch einmal seit Dezember 2020 musste die Ausbildung zeitweise vollständig in den virtuellen Raum verlegt und neu umgesetzt werden. Zunächst standen dabei technische und organisatorische Belange im Vordergrund, um die Ausbildung und die Lehramtsprüfungen landesweit sicherzustellen. Dazu gehören etwa der konsequente Ausbau von Moodle, das seit über zehn Jahren am Seminar Heilbronn genutzt wird, die zeitliche Anpassung und Umstellung der Ausbildungspläne, die Entwicklung von standortspezifischen Konzepten für Hybridmodelle und vieles mehr.
Dabei galt und gilt es für uns als Ausbildungsseminar immer auch, die Qualität der Ausbildung in den Blick zu nehmen. Im Verlauf der Schließungen wurde schnell deutlich, dass das Seminar nicht die Rückkehr zu Präsenzveranstaltungen abwarten konnte, um gegebenenfalls alles Wichtige nachzuholen, sondern dass Ausbildungsveranstaltungen auch in digitalen Formaten soweit wie möglich die Ausbildungsstandards und Ausbildungsinhalte abbilden mussten. Daher wurden seminarintern Mindeststandards für die Fernlehre entwickelt, interne Fortbildungen organisiert sowie auch im Rahmen der Mentor*innenqualifizierung am Seminar Heilbronn die Ausbildung und Beratung im Fernunterricht thematisiert, damit die Referendar*innen zu einer ausreichenden Theorie-Praxis-Reflexion innerhalb der digitalen Formate in Schule und Seminar angehalten werden konnten und können.
Trotz aller Bemühungen um einen niveauvollen Fernunterricht bleibt die Frage nach der Nachhaltigkeit einer über weite Strecken ausschließlich digitalen Ausbildung bestehen. Die pädagogische und fachdidaktische Seminarausbildung bildet gegenüber der schulischen Ausbildung zunächst einen theoretischen Vorlauf und leitet dann die jungen Lehrpersonen zu einem ständigen Theorie-Praxis-Austausch an. Seminar- und Schulausbildung bedürfen also einer hinreichenden Verknüpfung. Die Frage, wie diese Reflexion von Theorie und Unterrichtspraxis angesichts von Schul- und Seminarschließungen vonstatten gehen kann, wie die Seminarausbildung ohne die so wichtige Unterrichtspraxis an den Schulen erfolgen kann, kristallisiert sich zu einem der zentralen Problembereiche in der Ausbildung unter Coronabedingungen.
Die Diskussionen um grundsätzliche Fragen nach Strukturen, Zielen und Entwicklungsprozessen in der Lehrkräfteausbildung sowie nach einer sinnvollen und zielführenden Arbeit mit digitalen Formaten und ihrem Anderswert sind noch lange nicht abgeschlossen. Die Seminarschließungen haben allen in der Lehrkräfteausbildung wirkenden Personen die hohe Bedeutung von Ausbildungsveranstaltungen in Präsenz vor Augen geführt, in denen die direkte Kommunikation zwischen Ausbilder*innen, Mentor*innen und Referendar*innen sowie den Schüler*innen gepflegt und pädagogisch nutzbar gemacht werden kann. Viele nehmen aber auch wichtige Erfahrungen zum Lehren und Lernen mit digitalen Medien, zu ihren Potenzialen wie auch zu ihren Grenzen aus der Pandemiezeit mit.
Diese Erkenntnisse und Überlegungen, die sowohl auf die unterrichtliche Umsetzung in der Schulpraxis wie auch auf die Planung und Reflexion von Lehr-Lernprozessen in der Referendarausbildung zielen, finden sich in der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift Heilbronner Hefte wieder.